| Predigt Handout

25.08.24 Dreieinigkeit: Unser Leben in einem neuen Licht

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1 Nötig?

Im vierten Jahrhundert haben sich Theologen auf eine Formel geeinigt um Gott zu beschreiben: „Ein Wesen – drei Seinsweisen“. Mit anderen Worten: Gott ist einer in drei Personen. Braucht man das? Fangen wir jetzt an, Gott in eine Formel zu packen? Goethe hat über seine religiöse Beziehung geschrieben: „Ich glaubte an Gott und die Natur und an den Sieg des Edlen über das Schlechte; aber das war den frommen Seelen nicht genug, ich sollte auch glauben, daß drei eins sein und eins drei; das aber widerstrebte dem Wahrheitsgefühl meiner Seele; auch sah ich nicht ein, daß mir damit auch im mindesten wäre geholfen gewesen.“ (Gisbert Greshake: Hinführung zum Glauben an den drei-einen Gott. S. 7) Ist Trinität nicht etwas für Fachleute?

In der Apostelgeschichte wird behauptet, dass Gott der ist, in dem wir leben, uns bewegen und sind (Apostelgeschichte 17,28). Wir können nie jenseits von Gott sein. Aber trotzdem sehen wir ihn nicht. Wer ist Gott? Gibt es ihn wirklich? Wir können gar nichts von ihm wissen, es sei denn, er zeigt es uns. Aber was hat Gott gezeigt? Und warum gibt es unterschiedliche Religionen und unterschiedliche Antworten? Meinen die alle den gleichen Gott? Ich möchte hier nicht über unterschiedliche Gottesvorstellungen nachdenken. Mir geht es darum, wie Gott sich nach christlichem Verständnis gezeigt hat und was das für uns heißt. Christen berufen sich auf Jesus. Er hat uns Gott gezeigt. Aber wer ist Jesus? Ist er Gott oder ein Mensch? Und wenn er Gott ist: Wie kann Gott auf der Erde und gleichzeitig der Schöpfer sein?

Das Wort Trinität wird in der Bibel nicht benutzt. Es versucht zu beschreiben, wie Gott sich gezeigt hat: Als Gemeinschaft von drei Personen, die aber trotzdem eins sind. Das ist nicht weit weg von uns Menschen. Denn wir haben die Sehnsucht in uns, mit anderen Menschen eine tiefe Einigkeit zu erleben – aber gleichzeitig auch einzigartig, individuell und unterscheidbar zu sein. Der Evangelist Johannes reflektiert, was es in der Tiefe bedeutet, was er mit Jesus erlebt hat.

2 Verschiedenheit und Einigkeit

1 Am Anfang war das Wort; das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. 2 Der, der das Wort ist, war am Anfang bei Gott. 3 Durch ihn ist alles entstanden; es gibt nichts, was ohne ihn entstanden ist. (Johannes 1,1-3) Johannes denkt über den Beginn der Welt nach. Er tut das aber nicht naturwissenschaftlich, sondern eher philosophisch. Dabei greift er auf den Schöpfungsbericht zurück („Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“). Beide Texte haben miteinander zu tun.

Für manche sind die beiden Schöpfungsberichte am Anfang der Bibel ein rotes Tuch: Hat die Naturwissenschaft sie nicht längst widerlegt? Hat sie nicht. Man muss nur verstehen, dass die Texte zu naturwissenschaftlichen Fragen wenn überhaupt nur indirekt etwas sagen. Sie sagen nichts zu Evolution oder zum Alter dieser Erde. Die Schöpfungsberichte stellen aber eine andere wesentliche Frage: Wie ist etwas entstanden? Von alleine? Nein, sondern Gott hat es gewollt und es ins Leben gerufen. Wir sind mit ihm verwoben von Anfang bis Ende und dabei spielen seine Worte die entscheidende Rolle. Die Texte zeigen, warum wir so sind, wie wir sind. Sie erklären unsere Seele. Sie beschreiben den geistlichen Hintergrund für diese Welt. Zwei Dinge werden deutlich: Erstens zeigt der Schöpfungsbericht, dass unsere Würde als Mensch in Gott liegt. Unsere Würde hängt nicht davon ab, ob wir laufen, reden oder denken können. Sie hängt daran, dass wir Mensch sind und als Gottes Bild geschaffen. Das Zweite ist, dass wir Gemeinschaftswesen sind – und zwar auf eine bestimmte Art und Weise: Wir brauchen Verschiedenheit und Einheit. Wir wollen uns verbinden und wollen gleichzeitig einzigartig sein. Jan Twardowski hat das in einem Gedicht aufgegriffen (ebd. S. 49):

Wenn alle je vier Äpfel hätten,
wenn alle gesund und stark wären wie ein Roß,
wenn alle gleich wehrlos wären in der Liebe,
wenn jeder dasselbe hätte,
dann brauchte keiner den anderen.
Ich danke DIR, daß DEINE Gerechtigkeit Ungleichheit ist…

Ungleichheit ist eine Bedingung für einen echten befriedigenden Austausch und für ein wirklich gutes Miteinander. Es gibt die Versuchung, alles gleich zu machen. Gerecht ist, wenn alle gleich behandelt werden. Oder wir versuchen Einheit dadurch zu erreichen, dass wir es einheitlich machen. Das macht nach dem Schöpfungsbericht keinen Sinn. Die andere Versuchung besteht darin, unsere Individualität über alles zu erheben. Wir sind nur eine Person, wenn wir unabhängig sind. Wir sind aber anders geschaffen: Verschiedenheit und Einheit. Der Schöpfungsbericht erklärt, was in unserer Seele vorgeht: Wir suchen danach eins zu werden und gleichzeitig verschieden, individuell zu sein. Unsere göttliche Herkunft ist in die Seele eingebrannt. Daran knüpft Johannes an. Denn Johannes stellt fest: Das Wort ist nicht nur etwas, was gesprochen wurde. Das Wort ist eine Person. Diese Person wurde nicht geschaffen, sondern sie war schon da als die Welt entstanden ist. Alles ist durch das Wort entstanden. Diese Person, das Wort, ist gleichzeitig bei Gott und es ist selbst Gott. Es ist also von Gott verschieden – bei ihm – und es ist identisch – es ist Gott. Hier sind zwei und gleichzeitig sind sie eins. Das ist das Geheimnis und das ist der Ursprung von allem, was geschaffen wurde. Woher will Johannes das wissen? Wie kommt er darauf? Weil Johannes etwas gesehen hat. Das beschreibt er in Vers 14.

3 Gott macht Ernst

14 Er, der das Wort ist, wurde ein Mensch von Fleisch und Blut und lebte unter uns. (Johannes 1) Dort steht nicht, dass das Wort für eine gewisse Zeit in die Rolle des Menschen geschlüpft ist. Dort steht, dass er wirklich Mensch wurde. Gott macht Ernst. Er – obwohl er Gott ist – geht ganz in die menschliche Wirklichkeit ein. Das ist sein Wesen. Er ist (und bleibt ab dann) der, der Mensch geworden ist. Johannes begegnet Jesus. Und er merkt: Der ist kein normaler Mensch. Vorher ist Johannes der Täufer aufgetreten. Der war ein normaler Mensch. Aber Jesus ist mehr. Er ist Gott. Aber wie kann das sein? Wie kann Gott gleichzeitig Schöpfer sein und in seiner Schöpfung als Mensch sein? Das bedeutet: Gott ist in sich Gemeinschaft. Er ist zwar einer, aber er ist nicht alleine. Und er begegnet uns auf Augenhöhe. Die Dreieinigkeit beinhaltet also, dass Gott Mensch geworden ist. Er hat sich ganz auf uns eingelassen. Gott hat seine Gemeinschaft mit vollem Ernst für uns geöffnet. Gott bleibt nicht der Andere. Er wird uns gleich und begegnet, sucht die Gemeinschaft mit uns, indem er Mensch wird – nicht Mensch spielt.

4 Was wir in Gott finden

Was genau hat Johannes da bei Jesus gefunden? Durch Mose hat Gott uns das Gesetz gegeben. Durch Jesus Christus sind die Gnade und die Wahrheit zu uns gekommen. (Johannes 1,17) Zuerst hat Gott uns etwas gegeben. Gnade und Wahrheit wurden uns aber nicht gegeben, sondern sie begegnen uns. Wir haben sie nicht, sondern wir treffen auf sie. Unsere Wirklichkeit wird also mit diesem Zeitpunkt verändert. Etwas ist unter uns geworden, was vorher so nicht war. Gott wird ein Teil von uns. Seine Gemeinschaft entsteht unter uns. Und wir können Gnade und Wahrheit begegnen.

Um zu verstehen, was Johannes meint, müssen wir uns die beiden Begriffe Gnade und Wahrheit etwas genauer anschauen. In unserer Kultur wirken die beiden Begriffe wie zwei Pole. Vor Gericht wird versucht, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Gnade spielt dabei keine Rolle. Wahrheit ist bei uns etwas kaltes und nacktes. Die nackte Wahrheit ist schamlos und beziehungslos – eben einfach wahr. Deshalb lässt sich Wahrheit auch durch Logik herausfinden – unabhängig von der Person. Wahrheit hat in der Bibel eine weitere Ebene, die wir bei uns ausblenden. Wenn wir Wahrheit nur als nackte Tatsache sehen vergessen wir dabei, dass es für uns Menschen alles nur in Beziehung gibt und nie unabhängig davon. Das hebräische Wort für Wahrheit hat eine moralische Bedeutung auf der Beziehungsebene: treu oder ehrlich sein und zuverlässig oder beständig sein. Wahrheit ist bei uns eine nackte Tatsache, aber in der Sprache des Alten Testaments kann eine Person wahr sein – bei uns sind nur Fakten wahr. Wahrheit ist ein Beziehungsbegriff, genauso wie Gnade. In den Psalmen heißt es: Denn deine Güte reicht so weit der Himmel ist und deine Wahrheit, soweit die Wolken gehen. (Psalm 57,11). Güte und Wahrheit sind dabei synonym gebraucht. Die beiden Worte erklären sich gegenseitig. Bei uns hat nur die Güte etwas mit Beziehung zu tun. Wenn Johannes von Gnade und Wahrheit spricht, dann meint er damit nicht zwei Pole. Er benutzt Worte, die sich gegenseitig erklären. Wenn mit Jesus Christus Gnade und Wahrheit zu uns kommt, dann kommt jemand, der wahrhaftig ist, ehrlich, zuverlässig. Gott öffnet seine göttliche Beziehung für uns, indem er uns rechtfertigt. Das hat Johannes in Gott gefunden. Das verändert alles auf dieser Erde. Wir haben nicht nur etwas vermittelt bekommen. Hier ist Gnade und Wahrheit in Person geworden. Sie ist da. Er ist da. Die Gemeinschaft mit Gott ist da. Das alles hängt daran, dass Gott in sich Gemeinschaft ist und sich uns geöffnet hat und voller Gnade und Wahrheit ist. Trinität ist keine Nebensache. Sie zeigt die Gemeinschaft, nach der sich unsere Seele sehnt und die bei Gott zu finden ist, weil Gott Mensch geworden ist.