| Predigt Handout

12.12.2021 Komm mal runter: Von großen und kleinen Erwartungen

1 Überwachungsstaat

Welche Erwartungen beschäftigen dich zur Zeit? Welche sind bei dir enttäuscht worden? Ein Versuch seine Erwartungen durchzusetzen läuft seit einigen Jahren in China. Der Staat will gerne ein harmonische Gesellschaft erschaffen. Um das zu erreichen testen sie das Social Credit System. Dabei sammelt man Credits, indem man sich sozialverträglich verhält. Klingt das gut?

Woher weiß man dann, wer sich sozialverträglich verhält? All das wird in riesigen Datenbanken gespeichert und kann abgerufen werden. Um die harmonische Gesellschaft zu erreichen muss man was tun? Na klar, überwachen und entsprechend belohnen oder bestrafen. Für viele ist diese Vorstellung ein absoluter Horror: Alles, was du tust, wird überwacht und notiert. Du musst dich konform verhalten.

Interessant ist, dass die gleiche Vorstellung viele von Gott haben. Wenn es einen Gott gibt, dann wird der alles sehen und die Guten belohnen und die Bösen bestrafen. Das heißt auch, dass Gott jede unserer Bewegung registriert und überwacht, dann bewertet und anschließend die Konsequenz ableitet. Und dann sind wir bei einem Punktesystem, an dem sich entscheidet, wo wir landen.

Mit unseren Erwartungen hängt eine andere Frage zusammen. Nämlich: Wie kann es gut werden? Daran hängen ja unsere Erwartungen: Das es gut wird: Einen Mann/ eine Frau fürs Leben finden, eine gute Ehe führen, sich lieben, sich über seine Kinder freuen, Freunde haben, die Rente genießen können, in den Himmel kommen, schöne Weihnachtsgefühle haben, sich etwas gönnen können, zufrieden sein.

2 Enttäuschte Erwartungen

Er gehörte wohl eher zu der Kategorie Mensch, der die Erwartungen nicht erfüllte und das dann auch zu seinem Markenzeichen machte. Frei nach dem Motto: Ist der Ruf erst ruiniert… Genau genommen war er ein A… Kennst du solche Personen?

Heute ist Zöllner ein ordentlicher Beruf. Heute sind das Menschen, die für Gerechtigkeit sorgen. Damals war das anders. Oberzöllner hieß: Das war ein Bandenführer. Mafiaboss. Zöllner schlossen sich zusammen und bildeten Zollverbände. Sie sprachen sich ab und diktierten ihre Bedingungen. Das konnten sie unter dem Schutz der Römer tun, deren Dienstleister sie waren. Keiner konnte sich gegen sie wehren.

Zachäus – jüdisch.

Oberzöllner – für Juden war Zachäus eine Enttäuschung.

Reich – auf Kosten der Bevölkerung.

Klein – das war ihm so in die Wiege gelegt.

Unser Zachäus möchte sich ein Bild von Jesus machen. Vielleicht hat Zachäus schon davon gehört, dass dieser jüdische Lehrer mit Zöllnern spricht. Vielleicht hat ihn das neugierig gemacht.

Wegen der Menschenmenge kann Zachäus aber nichts sehen. Immer wieder wird behauptet, dass die Menschen ihm absichtlich die Sicht versperrt haben. Das kann auch sein. Steht aber nicht im Text. Klar ist nur: Zachäus ist klein und das wirkt sich so aus, dass man nichts sieht.

Wie würdest du dein Leben beschreiben? Welche Makel hast du? Was sagen andere über dich? Was ist „dein“ Erfolg? Wo bist du eine Enttäuschung?

Zachäus klettert auf einen Baum. Vermutlich ein großer Baum, mit großer Blätterkrone. Ob er sich dort verstecken wollte, weiß ich nicht. Auf jeden Fall wollte er beobachten. Das tut er auch und sein Plan geht auf. Jesus kommt vorbei.

3 Einkehren

Zachäus hat sein Ding durchgezogen. Er ist reich geworden. Auf der anderen Seite ist er für andere eine Enttäuschung, mit dem man nichts zu tun haben will. Wie versuchst du, ein lebenswertes Leben zu leben? Wo ist es dir gelungen und wo nicht? Wenn wir eine Enttäuschung für andere werden, dann passiert etwas mit uns: Wir verlieren die Verbundenheit. Und was ist, wenn wir Gott gegenüber eine Enttäuschung sind? Jesus drückt es mal so aus: Wer sein Leben erhalten will, wird es verlieren… (Matthäus 10,39) Was nun?

Zachäus sitzt also im Baum. Jesus schaut ihn an…

… und spricht ihn an.

Ich habe mich schon Zeit meines Lebens viel mit Gott beschäftigt. Überrascht hat er mich, als er Tages da war. Es war ein Gedanke in mir. Aber der Gedanke kam nicht von mir. Sondern Gott hatte mich angesprochen. Jesus sagt zu Zachäus: “Steig schnell herab. Ich muss heute in deinem Haus zu Gast sein.“ (Lukas 19,5) Das Wort, dass im Griechischen für „einkehren“ steht, bedeutet sonst „bleiben“: „Ich muss bei dir bleiben. Ich trete in Verbindung mit dir.“ Jesus redet hier nicht von einem Höflichkeitsbesuch. Zachäus hat auch keinen Hotelbetrieb. Jesus tritt bei Zachäus ins Leben ein. Er nutzt das Haus von Zachäus als Bleibe. Das tut man nicht einfach so – selbst bei der orientalischen Gastfreundschaft nicht. Bei jemanden zu wohnen bedeutet, eine Verbindung zu haben: Entweder sind wir verwandt oder Freunde. Auf jeden Fall sind wir irgendwie verbunden.

Das ist es doch, was wir brauchen: Verbundenheit. Wir brauchen es, dass meine Scham, meine Isolation überwunden wird. Das gelingt nicht, indem ich genug Punkte sammel. Jesus bleibt nicht auf Abstand. Er lernt Zachäus nicht mal ein bisschen kennen, sondern er schafft Verbundenheit. Mit diesem Typen Zachäus, mit dem niemand etwas zu tun haben wollte. Jeder wünschte sich, dass er zur Rechenschaft gezogen wird, mal die Folgen seines Handelns erfährt, die Abrechnung bekommt.

Zachäus war auch nicht dumm. Er wusste, was Jesus ihm damit sagt. Jesus bittet ihn nicht nur zum Gespräch. Er will bei ihm sein. Will Zachäus das? Zachäus zögert keine Sekunde. Kennst du dieses Loch in dir, das entsteht, weil Verbundenheit fehlt? Genau da ist Jesus: Ich muss heute bei dir einkehren…

Dann geht es los. Der Überwachungsstaat reagiert: „Die Leute“ ärgern sich! Alle: „Das ist jetzt sein neuer Freund? Mit diesem Typen umgibt sich Jesus? Mit dem hängt er ab?“ Jesus wird angegangen, weil er Verbundenheit zu jemandem schafft, der das nicht verdient hat. Niemand hätte sich aufgeregt, wenn Jesus sich mit Zachäus unterhalten hätte. Aber bei ihm übernachten? Einziehen bei ihm?

Das Social Credit System bleibt bei dem „ich“ stehen: Verhalte dich konform, und du wirst belohnt. Du musst es schaffen, oder du wirst die Konsequenzen zu spüren bekommen. Und so bleibt in uns das Loch – weil Verbundenheit fehlt.

Aber Gott tut etwas anderes. Gott tritt ein bei dir, in dein Haus, in dein Leben. Gott geht in die Verbundenheit. Nicht ungefragt. Er drängt sich nicht auf. Er klopft an. Dafür ist Jesus gekommen. Das ist sein erklärtes Ziel: Er ist gekommen um Verbundenheit mit Menschen zu schaffen, die keine Verbundenheit mit Gott mehr haben. Das ist Weihnachten. Jesus stellt sich zu dir. Er schaut dich an. Und er sagt: Ich muss heute bei dir einkehren. Ich habe dich gesehen. Hier bin ich…