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1 Hyposensibilisierung
Mein Körper reagiert zu sensibel auf einen Stoff, der eigentlich harmlos für ihn ist. Jetzt habe ich mit einer Hyposensibilisierung begonnen. Hypo ist das Gegenteil von hyper und meint weniger. Ich bin also hypersensibel und soll hyposensibilisiert werden. Mein Körper soll lernen, sich an den Stoff zu gewöhnen. Dazu war ich im Krankenhaus und dort begegnet man allen möglichen Krankheiten. Bei mir geht es nur darum, dass mein Körper etwas für gefährlich hält, was eigentlich nicht gefährlich ist. Andere haben etwas wirklich Gefährliches in sich. Es gibt also einen wichtigen Unterschied zwischen dem, was gefährlich ist und dem, was uns nur gefährlich vorkommt. Und dann hing ich noch am Tropf. Ich habe mich schnell daran gewöhnt. Als er weg war, habe ich dennoch gespürt, wie schön ist es am normalen Leben teilnehmen zu können. Ich habe Freiheit gespürt. Damit habe ich die Themen umrissen, um die es heute geht: Allergisch reagieren, lernen was wirklich gefährlich ist und Freiheit spüren.
Manchmal sind wir unsensibel. Wir ignorieren einen Menschen oder sagen Sätze mit denen wir andere verletzen und uns ist es nicht einmal bewusst. Aber es gibt auch das Gegenteil. Wir reagieren hypersensibel. Manchmal genügt ein Stichwort und wir schlagen um uns, als wäre unser Leben bedroht. Wir müssen nicht nur sensibler werden, sondern auch unsere Allergien behandeln. Wir brauchen ein vernünftiges Maß an Sensibilität. Was ist wirklich gefährlich und wo reagieren wir über? Bei einer Hyposensibilisierung wird unser Körper gewöhnt. Es genügt nicht, dass du weißt, dass etwas nicht gefährlich ist. Du musst es auch lernen. Worüber wir heute reden, geht nicht einfach über den Kopf. Man muss es auch fühlen.
Gibt es eine Hyposensibilisierung in der Bibel? Ich finde schon. Ich möchte mit euch über zwei Abschnitte nachdenken.
2 Rausschmiss
Im ersten Abschnitt spricht Gott über Menschen, für die er Sorge trägt und die er berufen hat: Ein Adler scheucht die Jungen aus dem Nest, damit sie selber fliegen lernen. Doch wachsam schwebt er über ihnen, und wenn eins müde wird und fällt, dann breitet er die Flügel unter ihm und fängt es auf und trägt es fort. (5. Mose 32,11)
Adler sind Nesthocker. Dort werden sie gefüttert. Das Nest ist sehr weit oben und Ausflüge sind nicht möglich. Aber irgendwann müssen sie das Nest verlassen und das geht nur fliegend. Adlerjunge sind also lange Zeit im Hotel Mama und Papa. Doch dann passiert etwas für sie Überraschendes. Die Eltern fliegen mit der Mahlzeit am Nest vorbei. Immer wieder tun sie das. Wenn die Jungen nicht irgendwann von alleine reagieren, werden die Eltern noch gemeiner. Sie schubsen aus dem Nest. Sie stören. Sie regen das Nest auf. Die Jungen fallen. Sie sehen die Eltern nicht, die über ihnen schweben, sondern sie sehen nur die Tiefe unter sich. Aber bevor der sichere Tod sie ereilt, sind die Eltern dann doch unter ihnen.
Adler regen ihr Nest auf. Gott regt auf. Manchmal pflegen wir ein Bild von Gott, dass er schön lieb ist, beschützt und versorgt. Gott ist ein Vater, in dessen Arme wir uns fallen lassen. Wenn wir ein Problem haben, kommen wir zu Papa und er löst es. Das ist ein schönes Bild. Aber wir vergessen, dass Gott auch aufregen kann. Er schubst uns und wir verstehen die Welt nicht mehr. Das ist, als würdest du auf etwas allergisch reagieren und Gott spritzt dir den Stoff direkt in den Körper. Manchmal wird in der Bibel davon berichtet, dass Gott Menschen auf die Probe stellt. Diese Proben sind nicht dafür da, um jemanden zu Fall zu bringen, sondern etwas sichtbar zu machen. Gott fordert Abraham eines Tages heraus, seinen Sohn Isaak zu opfern. Bei der Geschichte gefriert einem das Blut in den Adern und viele reagieren allergisch. Ist Gott brutal? Abraham muss sein Kind nicht opfern, aber Gott schubst ihn. Und nebenbei zeigt Gott, dass er keine Opfer von Kindern will. Oder Jesus redet mit einigen Männern über Scheidung. Damals durften Männer Frauen einen Scheidebrief ausstellen und dann war die Ehe beendet. Umgekehrt ging das nicht. Jesus erklärt ihnen, dass Scheidung Sünde ist. Darauf reagieren die Männer hypersensibel und meinen, dass man dann wohl besser nicht heiratet. Auch als Jesus seinen Jüngern erlaubt, am Sabbat am Weizenfeld ein paar Ähren abzureißen und zu essen – für uns wirkt das belanglos – trifft er einen allergischen Punkt. Wo regt Gott dich auf?
3 Zu sensibel?
Eine zweite Bibelstelle. Die wohl bekannteste Rede von Jesus ist die Bergpredigt. Sie hat die Welt verändert hat. Gandhi hat sich an ihr orientiert, obwohl er kein Christ war und die Unabhängigkeit der Inder gewaltlos erkämpft. Auch Martin Luther King hat sich an der Bergpredigt orientiert und gewaltlos gegen Rassentrennung agiert. Die Rede ist krass. Immer wenn man versucht, sie zu erklären, kommt man früher oder später in Erklärungsnot. Sie ist gleichzeitig absolut logisch und unmöglich umzusetzen.
Ein Teil daraus ist bekannt geworden als sogenannte Antithesen. Der Titel ist allerdings schlecht gewählt, weil nicht „Anti“ gemeint ist. Jesus zitiert Gebote und fährt dann immer fort mit der Aussage: „Ich aber sage euch…“ Jesus zitiert etwas, was man gehört hat und meint verstanden zu haben. Man hält es für etwas, was machbar ist. Zumindest einigermaßen. Jesus aber sagt, wie es wirklich ist, gesund, vollkommen und erfüllend – und das ist nicht mehr machbar. Jesus stellt keine Antithesen auf, sondern er erklärt die Erfüllung. Er ist gekommen um zu erfüllen. Alles hängt an ihm. Man kann die Bergpredigt nicht ohne Jesus lesen. Das merkt man, wenn man mal versucht, die Worte jemand anderem in den Mund zu legen. Und was Jesus sagt, macht sensibler. Zuerst einmal…
Ihr wisst, dass unseren Vorfahren gesagt worden ist: ›Du sollst nicht töten!‹ Außerdem heißt es: ›Wer einen Mord begeht, der gehört vor Gericht‹. Ich sage euch aber… (Matthäus 5,21-22) Dann redet Jesus davon, dass es schon straffällig macht, jemanden Idiot oder Dummkopf zu nennen. Sogar die Höllenstrafe wäre dafür angemessen. Jesus redet davon, wie man mit Unrecht umgeht. Jemand nervt mich und benimmt sich daneben. Ich reagiere entsprechend. Jesus macht sensibel dafür, dass nicht nur ein Mord uns zugrunde richtet, sondern schon unsere gegenseitig Abwertung ist fatal.
Zweites Thema: Ihr wisst, dass gesagt worden ist: ›Du sollst nicht ehebrechen!‹ Ich sage aber… (Matthäus 5,27-28) Und dann erklärt Jesus, dass Ehebruch damit beginnt, eine Frau begehrlich anzusehen. Jesus zeigt, dass schon viel häufiger Ehen gebrochen wurden, als auf dem Papier sichtbar wird. Er macht sensibel dafür, womit wir anfangen untreu zu werden.
Drittes Beispiel: Ihr wisst auch, dass unseren Vorfahren gesagt worden ist: ›Du sollst deinen Schwur nicht brechen! Vielmehr sollst du halten, was du dem Herrn geschworen hast!‹ Ich sage euch aber… (Matthäus 5,33-34) Dann redet Jesus davon, dass wir gar nicht schwören sollen. Was soll es bewirken, zu schwören? Sind unsere Wort unzuverlässig, wenn wir nicht schwören?
Viertens: Ihr wisst, dass gesagt worden ist: ›Auge für Auge und Zahn für Zahn!‹ Ich sage euch aber… (Matthäus 5,38-39) Und dann empfiehlt Jesus, sich nicht zur Wehr zu setzen. Spätestens jetzt merkt man, wie unmöglich ist, was Jesus erklärt: Sollen wir uns als Einzelperson nicht zur Wehr setzen? Sollen wir Waffen abschaffen? Und was ist mit der Polizei? Was passiert, wenn sich niemand mehr wehrt? Wie gehen wir mit Bosheit um?
Als letztes kommt Jesus darauf zu sprechen, die andere Wange hinzuhalten, wenn uns jemand auf die rechte schlägt: Ihr wisst, das gesagt worden ist: „Liebe deinen Nächsten“ und hasse deinen Feind! Ich sage euch aber… (Matthäus 5,43-44) Wir sollen jemanden lieben, obwohl die Person uns hasst und versucht auszunutzen. Wenn wir das überall auf der Welt umsetzen, wird dann nicht das Unrecht immer mehr?
Allen fünf Themen ist gemeinsam: Jesus leitet dazu an, aktiv zu werden – nicht ängstlich zurückhaltend sein, sondern liebend agieren. Manchmal werden Christen seltsam passiv. Machtmenschen treiben ihr Unwesen, aber man muss ja erdulden. Aber davon redet Jesus nicht. Das Ziel ist laut Jesus, dass wir uns als Sohn, als Tochter Gottes erweisen. Jesus geht es also darum, dass Gottes Traum vom Leben erfüllt wird in uns. Aktive Liebe hält nicht einfach den Mund. Sie agiert. Sie provoziert. Sie verändert und ist mutig. Sie grenzt sich ab.
Jesus macht sensibel und gleichzeitig sprechen alle Themen etwas an, wo wir hypersensibel sind. Oder wie reagierst du, wenn dir Unrecht geschieht? Was passiert mit dir, wenn dir ein Freund in den Rücken fällt? Wie sensibel bist du, bei boshaftem Verhalten oder wenn dich jemand ausnutzen will? Jesus sagt nicht, dass das alles nicht schlimm ist. Aber unsere Reaktion zerstört uns mitunter selbst. Wir reagieren allergisch und versuchen etwas Gefährliches zu unterbinden. Wir kämpfen um unser Leben.
Jesus lässt uns spüren, wie Freiheit sich anfühlt. Sie ist zu schön um wahr zu sein. Manchmal wird versucht, seine Worte als machbares Gesetz zu lesen und sich immer mehr zu sensibilisieren. Das kann hypersensibel machen. Andere versuchen so damit umzugehen, dass man mit Jesu Worten eben keine Politik machen kann und es höchstens einzelne Menschen für sich umsetzen können. Ghandi und King strafen solchen Reden Lügen. Jesus zeigt einen anderen Weg als entweder immer sensibler zu werden oder allergisch zurückzuschlagen. Das Geheimnis ist praktisch auszuprobieren, was Jesus sagt und doch frei zu werden, weil Jesus erfüllt und nicht wir.
Wo reagierst du allergisch? Und wo stört Gott dich auf?